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Wirkstoffe in lokalen Betäubungsmitteln
Betäubungsmittel werden verabreicht, um Schmerzen von Patienten für die Dauer einer Behandlung auszuschalten. So kann sich der Patient dank der Betäubung während der Behandlung entspannen, der Arzt kann sich voll und ganz auf seine Therapie konzentrieren.Der Einsatz lokaler Betäubungsmittel in der Zahnarztpraxis wird in der Regel vorab nicht mit den Patienten besprochen. Dieser Umstand ist sowohl dem Arzt als auch den Patienten zuzuschreiben. Für den Zahnarzt ist das Betäubungsmittel "nur" ein Mittel, das ausschließlich dem Ziel dient, das Gebiss optimal zu behandeln. Oft fehlt es dem Zahnarzt (leider) auch an spezifischen Kenntnissen bezüglich pharmazeutischer Eigenschaften und Wirkstoffe der eingesetzten Betäubungsmittel. Sein Wissen und seine Fähigkeiten beziehen sich, wie die von Kieferchirurgen und Hausärzten, meist ausschließlich auf die zeit- und ortsgenaue Verabreichung der Betäubungsmitteln.
Aber auch Patienten lassen sich so gut wie nie über den Einsatz von lokaler Betäubung aufklären. Es herrscht eine gewisse Scheu angesichts der eigenen Unkenntnis in der Sache vor.
Die meisten Patienten wissen nicht einmal, dass es unterschiedliche Betäubungsmittel auf dem Markt gibt, und dass jedes einzelne von ihnen seine spezifischen Vor- und Nachteile hat. Sie überlassen in der Regel ihrem Zahnarzt oder Kieferchirurgen die Wahl des geeigneten Betäubungsmittels ohne zu realisieren, dass einige dieser Mittel oder ihrer Wirkstoffe sowohl während der Behandlung als auch eine geraume Zeit danach zu unvermuteten Nebenwirkungen führen können. Oft kommt das Thema auch deshalb nicht zur Sprache, weil sie befürchten, der behandelnde Arzt könne das als fehlendes Vertrauen in seine fachlichen Fähigkeiten verstehen. Manchmal besteht diese Befürchtung nicht einmal zu unrecht Es gibt durchaus Zahnärzte und Kieferchirurgen die ihre Patienten in einem tadelsüchtige Ton über die Folgen eines Eingriffes oder den Gebrauch von bestimmten Medikamenten aufklären. Das schafft natürlich kein Klima, in dem Patienten sich vertrauensvoll mit ihrem Arzt über das Thema lokale Betäubungsmittel austauschen können. Insbesondere angesichts der Unterversorgung mit Zahnärzten (gilt nur für die Niederlande) bemühen sich die Patienten natürlich, ihren Arzt nicht gegen sich aufzubringen. Es gibt aber heute jüngere Zahnärzte, die im Gegensatz zu ihren älteren Kollegen durchaus zugänglicher für solche Themen sind. Aber auch hier besteht immer wieder die Gefahr, dass durch das Defizit an spezifischem pharmazeutischen Wissen Fragen zu diesem Thema auf eine nonchalante Weise abgewehrt werden. Gerade für dieses Thema aber sind gegenseitiger Respekt und Vertrauen zwischen Arzt und Patient nötig.
Als Grundlage für Ihre Gespräche mit dem behandelnden Arzt finden Sie nachfolgend Erläuterungen über die verschiedenen Wirkstoffe in Lokalanästhetika.
Die meisten Betäubungsmittel, die bei Hausärzten, Zahnärzten und Kieferchirurgen eingesetzt werden, bestehen aus drei Bestandteilen:
1. Betäubungsmittel
2. Vasokonstriktoren
3. Konservierungsstoffe
Erwähnenswert ist hierbei, dass ein Zuviel an Vasokonstriktoren und Konservierungsstoffen in Betäubungsmitteln nicht notwendig ist, doch davon später mehr.
1. Das Betäubungsmittel
Das Anästhetikum oder einfach: der Stoff, der Gefühllosigkeit (Taubheit) verursacht. Die Gefühllosigkeit, die durch ein Betäubungsmittel hervorgerufen wird, lässt in der Regel nach: Das Gefühl kehrt nach 1-1,5 Stunden zurück, anfangs noch etwas unvollständig (bei Berührung entsteht ein kribbelndes Gefühl), danach registriert man das zurückkehrende Gefühl, wobei auch der durch die Behandlung verursachte Schmerz spürbar wird. Ihr Arzt wird Ihnen, falls nötig, entsprechende Mittel gegen solche Nachschmerzen empfehlen oder verabreichen.
In den Niederlanden werden verschiedene Betäubungsmittel in Zahnarztpraxen eingesetzt:
Lidocain Hydrochlorid: Dieser Wirkstoff ist Bestandteil der Betäubungsmittel Xylocain und Lignocain. Hierbei handelt es sich um ein Amidtyp Betäubungsmittel. Es wurde 1943 entwickelt und 1947 auf den Markt gebracht. Lidocain ist somit das älteste Betäubungsmittel der neuen Amidtyp-Generation. In den vergangenen Jahrzehnten wurde es mehrfach und umfangreich geprüft und mit anderen Betäubungsmitteln verglichen, sowohl innerhalb der Gruppe der Estertyp als auch der der Amidtyp Betäubungsmittel. Ein Nachteil von Lidocain ist die relative lange Einwirkzeit. Zahnärzte, die Lidocain einsetzen, lassen ihre Patienten 10-15 Minuten nach der Injektion warten, bevor sie mit der Behandlung beginnen. Diese Wartezeit ist auch der sicherste Hinweis auf den Einsatz des Mittels. Der Vorteil von Lidocain ist, dass es auch ohne Vasokonstriktoren und ohne Konservierungsstoffe erhältlich ist.
Prilocain Hydrochlorid: Prilocain ist der Wirkstoff des Anästhetikums Citanest. Auch Citanest ist ein Amidtyp Betäubungsmittel. Es wurde 1959 entwickelt und 1963 auf den Markt gebracht. In Zahnarztpraxen ist es ein allgemein übliches Betäubungsmittel. Nach den der Bosscherstiftung vorliegenden Unterlagen kommt es bei Citanest häufiger als bei anderen Betäubungsmitteln vor, dass der Körper ablehnende Reaktionen (d.h., keine Betäubungsreaktion) zeigt, was oft dazu führt, dass der behandelnde Arzt nachspritzt. Allerdings bringt auch das Nachspritzen oft nicht die gewünschten Effekte. Soweit uns bekannt ist, herrscht über die ablehnende Reaktion bis heute Unklarheit (wir sind dankbar für Informationen hierzu). Vorerst gehen wir davon aus, dass hier entzündungsähnliche Prozesse eine Rolle spielen, auch wenn diese Entzündungen sonstwo im Körper sind. Danke, wenn Sie uns Ihre Erfahrungen mit Citanest mitteilen.
Articain Hydrochlorid: Dieses Betäubungsmittel ist eines der jüngst entwickelten am Markt. Articain Hydrochlorid wurde 1969 entwickelt und 1976 von der Hoechst AG auf den Markt gebracht (heute von Aventis). Seit 1983 ist das Mittel in den Niederlanden zugelassen. In den Vereinigten Staaten ist der Wirkstoff offiziell seit 2000 zugelassen und wird unter dem Produktnamen Septocaine von der Firma Septodont vertrieben. In den Niederlanden wird der Wirkstoff unter den Produktnamen Ultracain und Septanest, in Deutschland unter dem Namen Ubistesin angeboten. Articain ist ein Amidtyp Betäubungsmittel, wird aber anders als die anderen Amidtyp Betäubungsmittel direkt im Blut und nicht in der Leber aufgespalten und abgebaut. Für diese Aufspaltung wird im Blut das Enzym Cholinesterase benötigt. Sobald ein Patient nicht über genügend Cholinesterase Enzyme verfügt oder aber die Funktionsweise der Enzymaufspaltung nicht richtig funktioniert, versucht der Körper, das Articain auf andere Art und Weise abzubauen. Die Bosscherstiftung unterstellt, dass bei dieser alternativen Art des Abbaus Stoffe frei werden, die beträchtliche Nebenwirkungen verursachen und langfristig fördern können.
Mepivacain Hydrochlorid: Mepivacain wurde ursprünglich in der Spinal- oder Epiduralanästhesie (Betäubung des Rückenmarks, bei Kaiserschnitten und anderen lokalen, chirurgischen Eingriffen) eingesetzt. Mepivacain ist seit 1957 im Handel, kam aber erst sehr viel später auch in der Zahnheilkunde unter dem Produktnamen Scandonest 3% zum Einsatz. Der Vorteil dieses Wirkstoffes besteht darin, dass er ohne zusätzliche Vasokonstriktoren oder Konservierungsstoffe erhätlich ist Bitte informieren Sie sich bei Ihrem behandelnden Zahnarzt, ob und unter welchen Umständen das Mittel eingesetzt werden kann. Die Bosscherstiftung hat den Eindruck, dass Scandonest in den Niederlanden nicht weit verbreitet ist, weil uns Informationen durch Patienten hierzu fehlen.
Procain: Procain ist ein Estertyp Lokalanästhetikum. Bereits seit 1905 auf dem Markt, war es bis zur Einführung von Lidocain im Jahre 1947 das Betäubungsmittel in Zahnarztpraxen schlechthin. Procain ist Bestandteil des Produktes Novocain und wird, wie alle Estertyp Betäubungsmittel in der Blutbahn aufgespalten und abgebaut. Bei der Aufspaltung werden Stoffe frei, die allergische Reaktionen auslösen können, was die größte Gefahr aller Estertyp Betäubungsmittel darstellt. Reagiert ein Patient allergisch beim Einsatz eines bestimmten Estzertyp Betäubungsmittel, wird er dieselbe Reaktion auch bei allen anderen Estertyp Mitteln zeigen (Kreutzempfindlichkeit).
2. Vasokonstriktoren
Vas = Gefäß; constriction = Verengung. Vasokonstriktoren bewirken eine Gefäßverengung. Bei Betäubungsmitteln werden Vasokonstriktoren hinzugefügt, damit sich die Blutgefäße bei der Gabe von Betäubungsmitteln verengen und so dafür sorgen, dass das Betäubungsmittel eine längere Zeit an seinem Platz wirken kann und nicht in andere Körperregionen „abtransportiert“ wird. Ohne Vasokonstriktoren müsste demnach eine höhere Dosis des Betäubungsmittels verabreicht werden. Durch den gefäßverengenden Effekt wird ebenfalls die Gefahr der (Nach)Blutung unterbunden – ein hoher Blutverlust wird so vermieden. Die Nachteile von Vasokonstriktoren liegen in den möglichen Nebenwirkungen auf Herz oder Nervensystem.
Warnung: Sollten Sie Beschwerden jedwelcher Art am Herzen oder im Bereich des Nervensystems haben – informieren Sie in jedem Fall Ihren (Zahn)Arzt, am besten einige Tage vor einem Eingriff. Warten Sie damit nicht bis zum Behandlungstermin.
Gebräuchliche Vasokonstriktoren
Epinefrin oder Norepinefrin oder auch Adrenalin, Noradrenalin) ist ein Körpereigenes Hormon (Kampf- oder Flughormon) mit gefäßverengender, blutdrucksteigernder Wirkung. Im allgemeinen sind Ärzte angewiesen, während der Behandlung ihrer Patienten Vasokonstriktoren so lang wie irgend möglich anzuwenden, d.h. solange, wie keine Reaktionen des Herzens, der Gefäße oder des Nervensystems auftreten.
Felypressin (Octapressin) ist ein synthetischer Vasokonstriktor mit identischer Funktionsweise wie Epinefrin oder Norepinefrin, jedoch bei geringerer Wirkung. Felypressin wird, soweit uns bekannt ist, ausschließlich in Kombination mit Prilocain eingesetzt.
3. Konservierungsstoffe
Wird ein lokales Betäubungsmittel mit Vasokonstriktoren kombiniert, müssen letztere vor Oxydation geschützt werden. Eines der gebräuchlichsten Mittel hierfür ist eine Sulfatverbindung, aber auch eine Metylparabeen verbindung wird häufig kombiniert. Nachfolgend eine Auflistung gebräuchlicher Konservierungsstoffe und Ihrer Verwendung in Lokalanästhetika:
Natriumdisulfat in Ultracain™
Metylparabeen und Metylbisulfat in Xylocain™
Natriummetabisulfat in Citanest™
In den genannten drei Produkten wird eine Sulfatverbindung als Antioxydationsmittel (Konservierungsstoff) verwendet. Es ist bekannt, dass Sulfatverbindungen allergische Reaktionen hervorrufen können. Insbesondere Patienten mit asthmatischer Bronchitis reagieren empfindlich auf solche Verbindungen. Es wird immer wieder vermutet, dass die Betäubungsmittel selber allergische Reaktionen hervorrufen. Das kommt aber in der Praxis bei Amidtyp Anästhetika höchst selten vor – meistens ist der Konservierungsstoff die Ursache.