Stiftung für die Opfer der Lokalanästhesie
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Die Entwicklungsgeschichte der Lokalanästhesie

 Soweit bekannt, waren die ersten Menschen, die lokale Betäubungsmittel kannten, die Einwohner von Peru durch das Kauen der Blätter des Kokastrauches wurde ihre Mundschleimhaut gefühllos.

Erst in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts wurde diesem Phänomen Aufmerksamkeit geschenkt, erste Versuche mit dem Kokastrauch wurden eingeleitet. Diese resultierten schließlich in der ersten Operation unter lokaler Betäubung 1884 in Wien durch den Augenarzt Kol Ier. Betäubt wurde mit Kokain. Nach dieser ersten, erfolgreich ausgeführten Operation wurde Kokain immer häufiger als regionales Betäubungsmittel eingesetzt – und wurde zum Betäubungsmittel schlechthin in Europa. Sehr bald wurden jedoch die Nachteile durch die Kokainvergabe deutlich. Die hohe Giftkonzentration, die kurze Wirkungsdauer und nicht zuletzt die Suchterscheinungen stellten ein Problem dar. Dennoch: man hatte tatsächlich eine Möglichkeit zur lokalen Betäubung gefunden, und das wurde von Medizinern mehr und mehr realisiert.

Es war nun möglich, einen Patienten zu operieren, ohne ihn zu quälen, der Arzt konnte sich also besser auf den medizinischen Eingriff konzentrieren. In Folge wurden Erkrankungen sehr viel früher behandelt – die Hürde für die Entscheidung zu einem Eingriff lag nun sowohl von seiten des Patienten als auch des Arztes niedriger.

Weil aber die Nachteile durch die Kokainvergabe beträchtlich waren, wuchs der Bedarf nach neuen lokalen Betäubungsmitteln. Ein solches Mittel kam 1905 auf den Markt: Procain wurde entwickelt und unter dem Produktnamen Novocain angeboten. Bis in die Mitte der 40er Jahre des neuen Jahrhunderts war Novocain das wichtigste Lokalanästhetikum. Novocain war und ist – es ist bis heute im Handel – ein Estertyp Betäubungsmittel, ein Kokainderivat oder besser: ein der Zusammensetzung von Kokain entsprechendes Produkt mit gleichen Charakteristika, jedoch ohne die hohe Giftkonzentration, mit einer längerer Wirkzeit und ohne die Gefahr, süchtig zu machen. Der Wirkstoff wird in der Blutbahn aufgespalten, und dabei werden Wirkstoffe frei, die allergische Reaktionen provozieren können – einer der wesentlichen Nachteile dieses und anderer Lokalanästhetika vom Estertyp – denn: Reagiert ein Patient allergisch auf ein Estertyp Anästhetikum, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er auch bei anderen Estertyp Anästhetika Überreaktionen zeigt.

Diese allergischen und andere Überreaktionen führten dazu, dass man mehr und mehr Abstand von Estertyp Betäubungsmitteln nahm und sich auf die Suchte nach völlig neuen Wirkstoffen mit verringerter Gefahr einer allergischen Reaktion machte.

Dieser neue Wirkstoff war Lidocain, es wurde 1943 entwickelt und 1947 unter dem Produktnamen Xylocain auf den Markt gebracht. Lidocain war das erste Lokalanästhetikum vom Amidtyp, das heißt, der Wirkstoff wird in der Leber und nicht in der Blutbahn aufgespalten. Der Vorteil einer Aufspaltung in der Leber besteht darin, dass während des Aufspaltungsprozesses keine Stoffe frei werden, die allergische Reaktionen hervorrufen können. Lidocain wird in der Regel von Patienten gut vertragen, es hat eine geringere Giftkonzentration, bietet eine lange Wirkzeit (3-6 Stunden) und ist nicht süchtig machend. Der einzige Nachteil von Lidocain besteht im verzögerten Eintritt der Wirkung. Wenn z.B. ein Zahnarzt Lidocain verabreicht, wird der Patient gebeten, für etwa 10-15 Minuten in das Wartezimmer gebeten, bis die gewünschte Wirkung eintritt.

Lidocain wurde schnell zum meist eingesetzten Lokalanästhetikum in Zahnarztpraxen, so lange, bis Ende der 50er Jahre Prilocain auf den Markt kam. Prilocain ist ein in der Wirkung schwächeres, zugleich aber weniger giftiges Betäubungsmittel. Leider hat Prilocain die unangenehme Eigenschaft, nur manchmal oder sogar überhaupt nicht zu wirken.

Aufgrund uns vorliegender Meldungen vermuten wir, dass dieses Phänomen möglicherweise durch die Entzündungsreaktionen im Körper verursacht wird. Prilocain scheint hierauf sensibler zu reagieren als andere Lokalanästhetika. Wir sind aber noch immer auf der Suche nach weiterreichenden Erkenntnissen hierzu.

1976 trat der Wirkstoff Articain, zunächst unter dem Produktnamen Ultracain der deutschen Hoechst AG, kurze Zeit später unter dem Produktnamen Septanest des französischen Pharmaunternehmens Septodont S.A., in den Markt. Beide Produkte haben identische Eigenschaften.1983 bekam Ultracain die Zulassung für die Niederlande. Inzwischen gehen die Schätzungen von einem 40-45%igen Marktanteil der Marken Ultracain und Septanest aus.

Inzwischen hat auch Scandonest mit dem Wirkstoff Scandicain die Zulassung als Betäubungsmittel für den Dentalbedarf. Scandicain wurde ursprünglich in der regionalen Anästhesie bei Betäubungen des Rückenmarks (Spinalanästhesie) eingesetzt. Soweit uns Informationen hierzu vorliegen, wurde mit Scandicain ein lokales Betäubungsmittel ohne Nebenwirkungen entwickelt. Das Mittel beinhaltet keine Vasokonstriktoren (Wirkstoffe mit gefäßverengender und dadurch blutdrucksteigernder Eigenschaft), insofern also auch keine Konservierungsstoffe, die wiederum allergische Reaktionen hervorrufen können (Lesen Sie hierzu auch: Wirkstoffe in lokalen Betäubungsmitteln).